Wenn die Angst mitreitet….

Angst als ständiger Begleiter

So oft begegnet mir bei meiner Arbeit die Angst. Manchmal als Unsicherheit, manchmal als Blockade, die nicht weiterkommen lässt und manchmal als Monster, das alles in seinen Klauen hat. Dann bestimmt die Angst wirklich alles. Selbstvertrauen ist schon lange nicht mehr da, von Mut reden wir gar nicht und selbständig und alleine am und auf dem Pferd …. wird immer schwieriger. Jedes Mal von Neuem eine Herausforderung. Manchmal ist dann auch Panik zum Greifen nahe, Hilflosigkeit macht sich breit oder man ist starr vor Schreck. Stress pur. Schweißausbrüche. Atemnot, der Körper ist zum Zerreißen gespannt, Adrenalin in jeder Pore.

Die Ursachen

Können zum einen Missverständnisse in eurer Kommunikation sein. Du willst dein Pferd aus dem Paddock holen, es steht am Heu und frisst. In dem Moment, in dem du mit dem Halfter vor ihm stehst, legt es die Ohren an und „giftet“ etwas. Es will lieber weiterfressen. Du erschrickst und beziehst die Reaktion auf dich, denkst, es meint dich „persönlich“. Dein Schritt zurück zeigt deine Unsicherheit und das Pferd weiß: „Ich muss nur die Ohren anlegen, dann wird mein Mensch unsicher. Bestenfalls muss ich dann nicht arbeiten.“ Das Spiel spielt ihr ab da dann vermutlich täglich.

Unschöne Erlebnisse können auch Auslöser sein. Der Sturz mit den Schlimmen Folgen, der Tritt, der dich in einem unachtsamen Moment erwischt hat oder die Rempler im Paddock, die vielleicht nicht dich gemeint, aber trotzdem getroffen haben. Daraus können sich massive Ängste entwickeln.

Vor allem aber auch Worte können großen Schaden anrichten. Worte haben Macht. Sehr viel Macht. Und sie wirken. Wie oft höre ich von meinen Kunden, dass ihr Trainer, der nette, gutmeinende Stallkollege, oder die beste Freundin mal wieder einen Spruch „losgelassen“ haben. Das geht von „Jetzt stell dich nicht so an!“ über „ICH mache das ja so….“ zu „Du schaffst das ja eh nicht!“ und „Wegen deiner Reiterei wird Dein Pferd krank!“ und noch viele andere, unwissend und unbedacht daher gesagte Sätze.

Ein einziger davon im passenden Moment reicht aus, um eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen. Und wie oft wiederholt hört man die so in den Ställen und Reithallen. Wiederholung wirkt noch besser. Es entwickeln sich daraus Überzeugungen wie „Ich mache mein Pferd krank!“ Das wiederum führt zu Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten, mit den Zweifeln stellt sich wieder Unsicherheit ein. Und die kommt jedes Mal mit ans und auf das Pferd. Du fängst an, dich auf alles, was diese Überzeugung evtl. beweisen könnte zu fokussieren. Jeder ungleichmäßige Tritt des Pferdes bekommt plötzlich besondere Bedeutung, jedes Aushebeln des Kopfes spricht für deine Unfähigkeit. Denn du bist ja alleine dafür verantwortlich. Die Überzeugung in dir ist gesetzt und wirkt. Bei jedem Schritt erschrickst du, denn…. die Gesundheit deines Vierbeiners liegt dir ja sehr am Herzen. Du bist aber erwiesenermaßen schlecht für seine Gesundheit. Und die Angst, die sich dabei entwickeln kann, sorgt dafür, dass du nicht mehr auf dein Pferd steigst. Sie hilft dir sozusagen, dein Pferd gesund zu erhalten. Verzwickt? Genauso ticken wir Menschen. Unbewusst natürlich.

Sie soll weg, die Angst!!

Das höre ich auch ganz oft. „Ich will sie nicht mehr haben! Sie macht mir das Leben so schwer!“ Allerdings ist das nicht der Weg. Angst an sich ist wichtig für uns alle. Angst kann Leben retten. Vor allem dein eigenes. Wenn sie begründet ist. Real, sozusagen. Wenn du also nachts im dunklen Park heim läufst und hinter dir rascheln und Fußtritte hörst, ist es unter Umständen für dich und deine Unversehrtheit sehr wichtig, Angst zu bekommen, die Füße in die Hand zu nehmen und…. ZU RENNEN!

Was du dir allerdings alles ausmalst, was passieren könnte, wenn du mit deinem Pferd zusammen bist, das ist reines Kopfkino. Ja. Ich weiß. Der schlimme Sturz vor Jahren WAR real. Und der WAR schlimm. Betonung auf… WAR. Alles Weitere hat sich in deinem Kopf entwickelt. Denn, wenn man mal von außen auf die meisten Begebenheiten mit dem Pferd schaut und anfängt, darauf zu achten, was wirklich gerade passiert, dann hat das mit dem Szenario im Kopf meistens nicht viel zu tun. Allerdings hat es Wirkung. Du hast Stress. Das spürt dein Pferd sofort. Und darauf reagiert es. Nicht auf die Szenen, die sich in deinem Kopf abspielen. Davon hat es keine Ahnung. Sondern auf deine körperliche Reaktion. Die nimmt es sehr genau wahr. Was kommt bei ihm an? GEFAHR! Das Pferd und sein Überleben ist davon abhängig, dass einer im Team Sicherheit und Überblick über die Situation hat. Hast du das nicht, reagiert es. Entweder mit „Flucht“, also auch Stress, oder damit, dass es die Führung übernimmt und zum Chef in eurem Zweierteam wird. Und im dümmsten Fall hast Du dann nicht mehr viel zu melden.

Die Vermeidung

Ist die häufigste Form, mit Angst umzugehen. Es findet sich immer jemand, der das Tierchen vom Paddock holt, wenn man es sich selber nicht (zu-) traut. Puh…gerettet. Das vermeiden, was unangenehm ist. Ein völlig typisches und auch legitimes „Programm“, das in uns Menschen angelegt ist. Nicht das tun, was die schlechten Gefühle auslöst. Allerdings hat auch das natürlich Wirkung. Der Nebeneffekt davon ist: das Selbstvertrauen, das eh schon einen Knacks abbekommen hat, leidet noch mehr. Die Zweifel an sich selber werden immer größer, Erfolgserlebnisse bleiben aus. Du „verschwindest“ immer mehr in der Wolke der Unfähigkeit und Abhängigkeit. Vieles geht alleine überhaupt nicht mehr. Das alles kostet Unmengen an Kraft und Energie, die Hilflosigkeit wird immer größer.

Der Ausweg

Wenn es also nicht zielführend sein kann, die Angst loszuwerden, sie momentan für dich aber auch nicht wirklich unterstützend ist, was ist dann die Lösung? Immer nur ein bisschen Angst? Ja, so einfach wenn es wäre, hättest du das vermutlich längst schon für dich entsprechend geregelt. Nein So geht´s eben nicht.

Wichtig ist es, aus der hilflos-passiven Rolle (meine Angst hat mich im Griff) in die handelnd-aktive Rolle (Ich bin in der Lage, was dagegen zu tun) zu wechseln. Und genau das kann man lernen. Stück für Stück. Es gibt viele Möglichkeiten, sich aus dem Kopfkino wieder in die Gegenwart zu holen und handlungsfähig zu bleiben. Ein ganz simpler, aber unglaublich effektiver Ansatzpunkt ist hier die Atmung. Die Verbindet dich wieder mit dir selber und auch mit dem Außen. Die Wirkung ist immer wieder verblüffend. Der Kopf schaltet um von Drama auf Denken, der Fokus lenkt sich auf die tatsächliche Situation und die körperliche Angstreaktion wird heruntergefahren. Es kehrt Ruhe ein. Und dann hat auch das Pferd die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen.

Fazit

Es ist nicht entscheidend, ob Angst da ist, oder nicht. Entscheidend ist, wie man mit ihr umhegt!!

In einem der nächsten Artikel werde ich dir ein paar Übungen verraten, mit denen du auf leichte Art und Weise anfangen kannst, anders mit deiner Angst umzugehen. Wie du dein Kopfkino umschreiben kannst, habe ich dir schon verraten.