Vor allem – Emotion pur
Angst ist ein Gefühl, bzw. ein Zustand, den jeder von uns kennt. Wer hat es nicht schon mal erlebt, wie es sich anfühlt, dieses „mulmige Gefühl“ im Bauch. Die Unsicherheit, die dazugehört. Wie es ist, von der Angst aus der Bahn geworfen zu werden, auch wenn es nur für einen kurzen Moment gewesen ist. Die Starre, die sich damit gerne einstellt, die Unfähigkeit, klar zu sehen, oder auch nur eine Entscheidung zu treffen. Wie ein Sog, der einen verschlingt. Der einen in den Angsttunnel zieht, aus dem es so einfach keinen Ausweg gibt. Alles, was man schon geschafft hat im Leben, all die Stärken, ist plötzlich weg. Kein Entrinnen und keine Möglichkeit, sich dem Monster zu stellen. So Aug in Aug. Das verschlingt einen dann ja vollständig.
Zumindest erzählt uns das mit schöner Regelmäßigkeit unser Denken und unsere Gefühle. Und die müssen ja Recht haben. Mit etwas Abstand und von außen betrachtet schaut das allerdings etwas anders aus. Da ist die Unvermeidbarkeit und die Aussichtslosigkeit nicht zu erkennen. Das führt dann allerdings oft genug dazu, dass einem so Sätze wie „Stell dich nicht so an!“, „Der macht doch gar nichts!“ oder „Du schaffst das schon!“ auf dem Silbertablett präsentiert werden. Völlig kostenlos – und vor allem UMSONST! Menschen, die diese Angstzustände nicht kennen, wissen nämlich nicht, wie es ist, vor lauter Angst nicht mehr denken und handeln zu können, starr zu sein mit jeder Faser. Den katastrophalen Film immer und immer wieder durchleben und die überschießenden Reaktionen des Körpers aushalten zu müssen. Sie haben das alles auch nicht tatsächlich erlebt. Sie wissen nicht, wie das ist, die Kontrolle zu verlieren. Hilflos zu sein, sich selber nicht mehr zu spüren. Für den Betroffenen bedeutet das, dass er nicht verstanden wird, alle Rechtfertigung nützt nichts, sie wird eh nicht ernst genommen, es entsteht noch mehr Druck. Das Ergebnis? Rückzug. Angst ist ein mächtiger Gegner. Vor allem, wenn man ihren Geschichten glaubt.
Angst am Pferd…..
…. ist kein guter Begleiter und Ratgeber (==> „Wenn die Angst mitreitet“). Wenn das Pferd meine Angst spürt, dann leidet sein Vertrauen in mich. Schließlich kann ich dann nicht mehr für seine Sicherheit sorgen. Und als Fluchttier ist Unsicherheit keine Option für mein Pferd. Was bleibt? Flucht. Oder Es übernimmt das Kommando. Auch keine schöne Variante. Vor allem für mich. Im Zweifelsfall leidet dadurch meine Selbstsicherheit und mein Selbstvertrauen noch mehr. Ich traue mir gar nichts mehr zu, bekomme noch mehr Angst. Erfolgserlebnisse bleiben aus, ich versuche zu vermeiden, was mir Angst macht. Für das Vertrauen meines Pferdes auch nicht wirklich förderlich. Unsere Beziehung kommt ziemlich in Schieflage.
Oft hört man ja, dass es der einzige Weg, die Angst zu überwinden, ist, sich ihr direkt zu stellen. Ich bin da immer sehr vorsichtig. Denn, wenn ich jemanden, der sich eh hilflos fühlt, sich nichts zutraut, die Angst als alles verschlingendes Monster sieht und überzeugt davon ist, dass er es auf keinen Fall schafft, das zu überleben….. wenn ich den direkt vor dieses Monster stelle und ihm sag: jetzt stelle dich dem mal. Das ist gar nicht so schlimm. Du schaffst das schon, geh einfach durch….der wird sterben. Vor Angst. Wortwörtlich. Auf der Stelle. Es ist ja eben nicht möglich, sich in diesem Zustand und mit diesem Erleben mit der Angst zu konfrontieren. Jeder, der das könnte, hätte dann seine Ängste längst selber in Angriff genommen und besiegt. Und eine Frage, die ich dann auch immer gerne stelle…. Muss Angst wirklich überwunden werden? Gibt es vielleicht auch andere, weniger martialische Wege, sich der Angst mal zu nähern? Ohne gleich in den Endkampf einsteigen zu müssen, so völlig unbewaffnet.
Vom Feind zum Freund
Wenn ich weiß, ein Kampf könnte anstehen, was mache ich denn sinnvollerweise als erstes? Genau. Waffen auftreiben, meine Kräfte fördern, eine Taktik bzw. eine Strategie entwerfen, herausfinden, was meine Stärken sind. Ich stelle mich gut und sicher auf. Stabilisiere mich. Und erst dann stelle ich mich. Um dann oftmals herauszufinden, dass das alles verschlingende Monster plötzlich zu einem Kätzchen geschrumpft ist. Das sogar ein guter und zuverlässiger Begleiter sein kann, wenn es mir gelingt, seine echte Größe zu erkennen.
Angst ist nicht böse. Los werden wir sie eh nicht. Das macht auch keinen Sinn. Ein angstfreies Leben wäre auch zu gefährlich. Denn manchmal ist Angst sehr sinnvoll. Wenn sie berechtigt ist und nicht eingebildet. Das gilt es zu erkennen. Und in dem Moment, in dem uns das gelingt, haben wir einen wertvollen und zuverlässigen Begleiter an unserer Seite. Auf Augenhöhe.
Angst ist immer das, was wir mit unserer Erfahrung, unseren Möglichkeiten und unserer Wahrnehmung daraus machen. Es gilt nicht, die Angst zu bekämpfen. Es gilt, uns in unserer Angst zu erkennen und uns wiederzufinden. Mit all unseren Stärken, Talenten, Erfahrungen und ja, auch unseren Schwächen und Einschränkungen. Ich habe zu oft erlebt, dass gerade Schwächen zum größten Unterstützer geworden sind und schlussendlich zur größten Stärke. Sie sollten niemals missachtet und unterschätz werden. Wir sollten verstehen, dass nicht die Angst der Mittelpunkt unseres Lebens ist, sondern wir selber. Wenn wir wieder in Verbindung mit uns selber kommen, dann darf sie in den Hintergrund treten, die Angst. Als ständiger Freund, den man nicht mehr missen möchte.