Du hast vielleicht schon selber öfter die Erfahrung gemacht: Wenn du in einem guten Zustand bist, also einen Tag hast, an dem du „gut drauf“ bist, deine Anspannung etwas weniger ist, dein Kopfkino vielleicht sogar mal Pause hat und du nicht vollständig im „was wäre wenn“ gefangen bist, dann regiert dein Pferd auch entsprechend: es ist nicht ganz so umweltorientiert, nicht ganz so schreckhaft und es hört dir etwas besser zu. An Tagen aber, an denen du voll drinnen bist in der Angstreaktion, du dir Sorgen machst, die Kontrolle zu verlieren, hinter jedem Grashalm eine potenzielle Gefahr erwartest und nur noch verspannt und schreckhaft bist….. dann wird auch dein Pferd entsprechend drauf sein.
Was genau ist da jetzt los?
Das Pferd weiß nichts von deinen Erfahrungen, deinen Sorgen, dass du vielleicht runterfallen könntest. Es versteht nicht, dass das alles nichts mit ihm und der Situation zu tun hat, in der ihr euch gerade befindet. Der Ursprung deiner Ängste, Sorgen, Bedenken liegt in der Vergangenheit oder in der Zukunft.
Nimm dir hier jetzt bitte mal einen Moment Zeit und spüre dich in verschiedene Situationen rein. Situationen mit deinem Pferd, die du nur zu gut kennst. In denen das Kopfkino aktiv war, die Erinnerung an einen schon erlebten Kontrollverlust und wo dich Befürchtungen überflutet haben, dass du das alles nicht händeln kannst. Dass du die Kontrolle wieder verlieren wirst, dein Leben in Gefahr ist. Und jetzt hier, mit zeitlichem und räumlichen Abstand, ganz sicher daheim in deiner Wohnung….. wie viele dieser Situationen waren wirklich echt gefährlich. Wie oft bist du tatsächlich in Wohnungsnot gekommen? Beantworte dir das mal ganz ehrlich. Ich vermute mal…. Das ist eher die Ausnahme. Oder? Reagiert hast du aber trotzdem so, als ob das gerade in jenem Moment passiert wäre.
Unsere Pferde dagegen haben keine Gedanken wie wir. Sie sind nur in der Gegenwart. Für sie gibt es keine Vergangenheit mit deinem schlimmen Erlebnis. Und keine Zukunft, in der VIELLEICHT etwas passieren könnte. Für sie gibt es nur das Hier und Jetzt. Und auf genau dieses Hier und Jetzt reagieren sie. Sie nehmen deine Gefühle und die dazugehörigen Körperreaktionen sehr fein wahr.
Nimm die jetzt wieder einen kurzen Moment Zeit und denke mal darüber nach, wie schnell sie zum Beispiel auf Ärger reagieren, den du hast. Manche Pferde kommen dann gar nicht mehr zu ihren Menschen, so lange die nicht ihren Ärger abgelegt haben. Und dieser Ärger muss ursächlich gar nichts mit dem Pferd zu tun haben. Es reicht dass er da ist. Spüre mal nach, wie unglaublich sensibel dein Pferd auf deine durch die Angst veränderte Atmung, den schnellen Herzschlag und deine Muskelverspannungen reagiert. Wo wir gerade mit unseren Gedanken sind, ist für sie nicht greifbar. Das verstehen sie nicht.
Unsere Pferde sind im gegenwärtigen Moment. IMMER. Und genau hier suchen sie nach der Ursache für die Alarmsignale, die wir ihnen in unserer Angst davor, die Kontrolle zu verlieren senden. Das ist der Grund, warum der näherkommende Radfahrer, der Vogel, der auffliegt oder der Mitreiter in der Halle ganz schnell zum Feind werden. Wir signalisieren Gefahr? Also muss es auch etwas Gefährliches im Außen geben. Für die Pferde ist das ganz klar.
Und weiter geht´s…. im nächsten Artikel mit „Wie reagieren die Pferde auf unsere Angst?“